Chico, China und wie aus Fritzle eine Ginny wurde

Hier kommt mal eine Story von unseren eigenen Tieren – den Amazonen Chico, China und – seit September 2012 dabei – Ginny.

Chico, ein Gelbwangenamazonenhahn, war zuerst da.
Ich übernahm ihn vor vielen, vielen Jahren zusammen mit seiner damaligen Partnerin, einer Blaustirnamazonendame, die kurze Zeit darauf leider an Herzinfarkt verstarb.

Damals war ich gezwungen, in einer überstürzten Nacht-und Nebelaktion für den verwitweten, trauernden Chico eine Henne irgendwo her zu bekommen. Chico fraß nicht mehr und hatte sich schon fast aufgegeben. Die Zeit drängte.
So kaufte ich in meiner Not ohne Papiere, ohne Alles ein in der Sperrmüll-Zeitung angebotenes Blaustirnmädel, 9 Monate alt, namens „Laura“.

Laura wurde sofort umbenannt in „China“, und mein Konzept ging auf: Die Kleine schaffte es, Chico abzulenken und sein Herz zu gewinnen. Schon bald konnte ich sie gemeinsam in einer größeren Voliere unterbringen.
Doch als China fünf Jahre alt wurde und in die Geschlechtsreife kam, veränderten sich beide. Ich wusste nun auch, weshalb: China entpuppte sich als Mann! Von wegen Laura! So kann es einem passieren, wenn man keine Geschlechtsbestimmung bei seinem Papageien hat…

Chico schien immer dominanter, und China immer unterdrückter. Eines Tages mussten wir sie getrennt unterbringen. Doch Chico duldete keinen Rivalen, nicht mal weiter weg. Es wurde immer schlimmer. Chico attackierte China im Freiflug und verletzte sie/ihn mehrmals. China war nur noch unglücklich. Wir auch.
Es musste was passieren.

Nach langer Überlegung entschlossen wir uns dazu, für die/den gebeutelte/n China eine Partnerin zu kaufen. Da kam uns gerade Recht, dass eine Kundin von mir für ihr Amazonenmädel „Fritzle“ ein neues Zuhause suchte!
Wie der Name „Fritzle“ zustande kam… dreimal darf man raten… 

Fritzle war DNA-getestet und ganz eindeutig EIN MÄDEL.
Also kauften wir Fritzle für China und dachten „wunderbar, zwei Blaustirnamazonen, das passt doch. Die beiden können zusammen in Frieden leben, und Chico separat.“ Feierlich wurde Fritzle umbenannt in „Ginny“.

Doch nach mehr als einem Jahr mussten wir erkennen: China und Ginny akzeptieren sich zwar grade so – mehr aber auch nicht. Die quirlige Ginny, grade mal drei Jahre alt, war frech, verspielt und abenteuerlustig, und kostete ihren Welpenschutz voll aus. China war genervt und immer noch unglücklich. Mehr denn je, denn sogar Ginny gegenüber zeigte sie/er sich devot und unterwürfig – was die kleine Zicke natürlich voll ausnutzte. Guter Rat war teuer.

So viele Versuche! Und ich schaffte es nicht, mein Tier glücklich zu sehen.
So ging ich den letzten, schweren Schritt: Ich trennte mich von China.
Ich hielt lange Ausschau nach einem geeigneten Platz, wo alles passte, möglichst auch in meiner Nähe, damit ich mein Tier auch besuchen kann. Und ich fand diesen Platz! Was soll ich sagen, es war der richtige Entschluss: China lebt nun zusammen mit zwei Amazonendamen in einer hübschen Voliere bei Menschen, die genauso vogelverliebt sind wie ich. Wir verstehen uns alle wunderbar.

Und China ist verliebt: Gelbstirnamazonendame Lora und Blaustirnhahn China waren schon nach kurzer Zeit ein Pärchen! Sie sitzen zusammen, sie kraulen sich, China überlässt Lora sein Lieblingsspielzeug. Ich bin so glücklich: Endlich ist China glücklich, nach so vielen Jahren.
Das Ganze hat auch den leichten Beigeschmack des Versagens, und natürlich fehlt mir China. Aber manchmal muss der Mensch sich hinten anstellen.

Und nun sitzen hier der gesetzte, stolze, über alles erhabene Chefgeier Chico –
und die pubertierende, freche, nervige Teenie-Blaustirnzicke Ginny!
Beide sind, jeder auf seine Art, sooooo süß – aber sie mögen sich definitiv (noch) nicht. Der eine ist genervt, die andere gelangweilt. Doch wir haben Geduld.
Ginny wird älter werden…
Und sie ist nicht wie China unterwürfiger Natur, nein, dieses Viech wehrt sich!
So hat sie schon Chico das Füßchen blutig gebissen, als dieser auf ihrem Käfig saß, um sie zu dominieren. Die Überraschung war Chico ins Gesicht geschrieben.
Eine Gegenwehr hatte er bislang nicht erfahren. Das war gut so! So hat sich die
kleine Zicke Respekt verschafft.

Chico hat kein Talent zum Sprechen. Das macht gar nichts. Ich liebe seine ganz eigenen Papageien-Töne. Er kann lachen, und er ist ein hervorragender Situationskomiker. Er liebt Höhlen und besitzt fünf davon im Raum verteilt. Er ist der Chef des Hauses, und es ist gut so.
Ginny dagegen plaudert manchmal den ganzen Tag vor sich hin. Sie liebt Roland über alles und gibt ihr Bestes für ihn.
Wenn sie ihre laute Phase hat und schreit, schimpft sie energisch mit sich selbst und sagt energisch „NEIN! Nein nein nein!“ Das mit einer entsprechend stocksteifen Körperhaltung, dass man sich fast auf den Boden legt vor Lachen.
Sie frägt uns „Geht’s dir gut? Hm?“, sie begrüßt und verabschiedet sich, wie sie grad lustig ist (da kommt „Guten Morgen! Gute Nacht!“ hintereinander mitten am Tag). Das Lustigste ist, wenn ich sie rufe „Hallo Ginny!“ – dann kommt nämlich zurück: „Hallo, Fritzle!“ – und das kann eine Weile so gehen.
Wenn wir uns dann kaputtlachen, lacht Chico mit.
Ich hoffe, ich setze mich noch durch.


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