Wahre Vogelhaus-Geschichten
Was bisher war 9
Sicherheit geht vor
In diesem Jahr waren einige Vögel weniger bei uns im Urlaub. Wir merken, dass nicht jeder Vogelbesitzer dazu bereit ist, seine Vögel auf die gefährlichen Viren und Bakterien testen zu lassen. Dabei ist es so wichtig! Wir schlafen alle ruhiger und sind viel entspannter in dem Wissen, dass sich nichts Gefährliches unbemerkt ausbreiten kann.
Ein Nachteil ist natürlich, dass ich nicht mehr spontan als Nothilfe einspringen kann, denn die Testauswertungen dauern 2-3 Wochen. Aber alles geht halt nun mal nicht… einen Urlaub tritt man ja auch nicht erst spontan an, sondern muss ihn rechtzeitig planen.
Wir sind auf dem richtigen Weg und ich fühle mich gut dabei.
So gibt es wie jedes Jahr kleine Geschichten von den Vögeln, was die so untereinander und mit mir treiben:
Allen voran wieder Surinam-Amazone Johnny. Wenn Johnny plötzlich nervös wird, hin und her tappt und aufgeregt „Wei! Wei wei wei!“ ruft, dann hat er draußen was gesehen, was seiner Meinung nach da nicht hin gehört wie z. B. die Nachbarskatze oder den Nachbarshund – oder einen fremden Menschen, der in die Einfahrt läuft. Der Briefträger allerdings bringt ihn nicht aus der Ruhe, den kennt er schon. Johnny ist sehr aufmerksam und warnt mich auch, wenn einer seiner gefiederten Nachbarn sich komisch verhält, z. B. aus der Schaukel fällt o. ä.
In den Sommerferien war hier eine besonders bunte Vogelfamilie zu Gast, eine süße Mischung aus Sittichen und Papageien vom Pennantsittich bis zum Gelbhaubenkakadu.
Ganz arg liebenswert: Pennantsittich Hugo. Der turnt trotz eines verkrüppelten Füßchens, das er seit Geburt hat, munter in seiner Voliere herum, klettert und erklimmt jeden Ast fast mühelos. Sogar auf die dünnsten, schaukeligen Zweige kommt er und ist dann ganz stolz. Legt sich in die Brust und singt, was er kann – und flirtet dabei mit mir.
Mönchsittichpärchen Louis und Shira sind meine ersten Mönche. Ich lese mich bei einer neuen Vogelart immer ein, um die Eigenarten der jeweiligen Spezies ein bisschen zu kennen und zu verstehen. Mönche sind sehr anspruchsvoll und ähnlich aufmerksamkeitsfordernd wie Weißbäuche. Sie möchten ständig umgarnt und bespaßt werden. Ich kann sie nur bei Laune halten, indem ich ihren Weichfutternapf stets mit Frischware gefüllt halte und unzählige Zweigchen und Ästchen zum Nagen in die Voliere einflechte. Weidenäste sind dabei der Hit, die kann man wunderbar skalpieren.
Wenn ich meine Volieren desinfiziere, trage ich immer Einmalhandschuhe. Ich stehe also im Papageienzimmer, ziehe sie über und zupfe sie zurecht, während das alles genauestens beobachtet wird. Nun ist es ja so, dass alle anwesenden Vögel dieses Jahr ganz frisch beim Vogelarzt waren. Und so ein Vogelarzt, was macht der vor einer Untersuchung? Richtig – er zieht sich Einmalhandschuhe über, genau wie ich!
Die beiden Graupapageien Jakob und Max haben dies noch in ganz frischer Erinnerung und plustern sich beim Anblick der Handschuhe so auf, dass sie doppelt so breit und doppelt so hoch werden. Damit drohen sie mir: „Wehe…!“ – und ich lache herzlich. Jakob steht mir auch beim Putzen bei und motiviert mich mit einem anfeuernden „hopp hopp hopp“!
Graupapagei Felix ist neu bei uns. Einer der misstrauischeren Vogelgäste. Es dauerte einige Zeit, bis er mir so weit vertraute, dass er in meinem Beisein zu seinen Näpfen hinunterklettert. Er ist der große Beobachter im Hintergrund, der sich wenig bewegt und immer etwas abwartend vorsichtig bleibt, auch wenn er inzwischen Leckerlis aus meiner Hand nimmt. Sein Partner Jule dagegen wieder ganz anders! Jule lernt gerade unser Vogelhauslied gemeinsam mit Jakob, die es schon kann. Graupapageien unter sich!
Gelbnackenamazone Bibi, unsere ältere und eben wie so einige ältere Herrschaften etwas grätige Grand Dame, spricht genau wie unser Chico nicht die Menschensprache. Können sie’s nicht oder wollen sie’s nicht, es ist völlig wurscht – sie müssen’s nicht. Was aber von Bibi kommt, ist ein langgezogenes „Haajooo“ in tiefstem schwäbisch, was immer alle zum Lachen bringt. Bei Hugo’s Menschen war dieses „haajooo“ der Running gag im Urlaub.
Kleinster Bewohner im Sommer war der Wellensittich Riccio. Der Kleine spricht! Ich versteh’s nur nicht: es ist polnisch. Riccio ist ganz Lieber, endlich mal einer, der mich nicht beißen will! Er schnäbelt mit mir. So süß.
Gelbhaubenkakadu Schorschle ist schon seit vielen vielen Jahren bei uns im Sommer zu Gast. Aber diesmal ist er chronisch missgelaunt. Es stinkt ihm bären-äh-vogelmäßig, dass ich mich auch mit den anderen Vögeln beschäftigen muss und nicht nur für ihn alleine da bin. Und wenn ein Kakadu schreit, misst man besser nicht seinen Blutdruck – zumal Kumpelvogel Bibi dann natürlich mitschreit. Nein, es ist nicht immer nur lustig bei uns, sondern erfordert manchmal echt Nervenstärke…
Wir sind wieder bei Louis und Shira, den beiden Mönchsittichen, die ebenfalls eine echte Herausforderung sind. An manchen Tagen treiben sie uns alle mit und ohne Federn zur Weißglut, indem ohne Ende geschrien und geschumpfen wird – dann wieder sind sie so zuckersüß, dass man sie knuddeln möchte.
Dann wird lebhaft erzählt und geplappert. Als Louis mal wieder einen seiner Wutanfälle hatte, sah ich ihn auf seinen Ast einhacken und dabei „Nein, nein, nein!“ schimpfen. Trotz ihrer Launen fühlen sich die beiden so wohl, dass sie fröhlich kleine Mönche machen und sich dabei auch durch nichts stören lassen. Da werden Äste in die Schlafkiste geschleppt, größer als die Vögel selbst. Jeder Waldarbeiter würde vor Neid erblassen!
Hugo der Pennantsittich und ich sind dicke Freunde geworden. Keiner kann sich so freuen wie dieser Vogel! Er ist schon ein paarmal abgestürzt vor lauter Übermut, oder wenn er zu hektisch von Ast zu Ast flattert, um schnell bei mir zu sein. Unglaublich, wie flink er trotz des behinderten Füßchens ist. Dank seinem geschickten, kräftigen Schnabel ist er ruckzuck überall hin geklettert, wo er hin will.
Graupapageiendame Aua trägt einen ganz originellen Namen, den keiner hat, obwohl er mehr oder weniger auf alle Krummschnäbel passen würde! Kein Krummschnabelbesitzer, der nicht schon mal gebissen worden wäre. Natürlich ist das auch ihr Lieblingswort. Im Lauf der Zeit erkenne ich allerdings, dass sie das nicht mit Beißen verbindet, sondern eher mit den Schmerzlauten der einstigen Besitzerin beim Putzen u. a. Bei jedem Napfwechseln, Putzen oder sonstigem Hantieren an den Käfigen und Volieren kommt von Aua ein mitleidiges „Aua“ oder „auauau“.
Aua ist ein Naturtalent im Pfeifen! Alles Mögliche pfeift sie mir vor; „Hänschen klein“ ist sie wohl grad am Lernen. An nichts denkend pfeife ich beim Putzen und Füttern oft unser Vogelhauslied vor mich hin und staune nicht schlecht, als ich nach nur zwei Tagen die ersten Takte dieses Liedes von Aua höre! Okay, beim nächsten Urlaub werden wir es perfektionieren. Das ist eine richtige Aufgabe für sie und fordert sie. Mit viel Geduld – und die ist wirklich vonnöten bei Papageien – hat sich die zarte Graupapageiendame Stück für Stück bei uns eingelebt, was für sie anfangs nicht leicht war. Nach einer Woche Urlaub bei uns ist aus dem schüchternen Mädel ein frecher kleiner Papagei geworden, auf den man sich schon wieder freut, wenn er wiederkommt.